DE Virtuelle Infrastruktur für vollautomatisches Fahren Über Navigationsgeräte tauschen schon heute Fahrzeuge Informationen mit Dienstleistern aus. Weitgehend liegen Standardisierungen vor, wie Signalisationen direkt ins Fahrzeug übermittelt werden können. Gar eine direkte Geschwindigkeitssteuerung ist denkbar. Diese Technologien werden für fahrerlose Fahrzeuge noch wichtiger, wollen sie sich effizient in der bestehenden Umgebung bewegen: sie benötigen aktuelle Karten, müssen mit Mischverkehr – wie Fussgänger – umgehen können und sollen von anderen Fahrzeugen lernen, den Ver- kehr zu bewältigen. Dazu ist eine virtuelle Infrastruktur nötig, welche den Datenfluss organi- siert und welche von allen Beteiligten gemeinsam betrieben wird. Fahrzeuge tauschen schon heute eine Vielzahl von Informationen aus, seien es Ortsangaben gegen Routinginformationen von Navigationsdienstleistern oder seien es Daten zur Fahrzeugfunk tionen gegen Servicedienstleistungen von Fahrzeug herstellern. Informationsübermittlung zwischen Fahrzeugen selber ist auch vorgesehen, beispiels- weise könnte ein vorderes Fahrzeug eine Notbremsung mel- den und das hintere selber darauf reagieren. Über all diese Kanäle wären weiter gehende Informationen möglich. So könnte der Strassenzustand vom Fahrzeug an die Infrastruk- tur gemeldet werden, die Fahrstreifensperrungen direkt ins Fahrzeug übermittelt werden oder gar Geschwindigkeiten automatisch angepasst werden. Für fahrerlose Fahrzeuge sind diese Technologien uner- lässlich. Diese Fahrzeuge werden sich in der bestehenden Umgebung zurechtfinden müssen: In Karten werden klei- nere Details fehlen, Mischverkehr mit konventionellen Fahr- zeugen, Velos und Fussgängern wird weiter bestehen, und Ereignisse werden auftreten, an welche die Hersteller des Fahrzeugs noch nicht gedacht haben. Ein effizienter und sicherer Verkehr wird deshalb nur möglich sein, wenn die Fahrzeuge untereinander und mit der Infrastruktur kommu- nizieren. Vom Blechschild zu fahrzeuginterner Signalisation und Steuerung Die heutige Signalisation und Steuerung des Verkehrs ist vor allem auf den Menschen zugeschnitten: Ein visuelles Signal in Form einer Blechtafel zeigt den Fahrern, dass die Geschwindigkeit auf 80 km/h beschränkt ist. Fahrerlose Fahrzeuge könnten zwar derartige Schilder mittels Video erkennen, was aber sehr aufwendig ist und fehleranfällig sein kann. Signalisationen direkt elektronisch zu übermit- teln, ist effizienter. Sie kann an die jeweilige Situation und an das jeweilige Fahrzeug angepasst werden und geht von rein informativer Art über Empfehlungen bis zu Anweisungen oder gar Steuerungen. Im weitesten Fall will die Polizei ein fahrerloses Fahrzeug wenn nötig stoppen können. Fahrerlose Fahrzeuge sind mit einer Viel- zahl von Sensoren ausgerüstet, deren Daten elektronisch vorliegen. So kann der Verlauf der Strasse erfasst und damit die bestehenden Karten verbessert werden. Im Weiteren kann der Zustand der Strasse be- stimmt werden: Ist sie nass, gefroren oder hat sie Spurrillen? Trotz all dieser Informationen wird ein Her- steller nie alle Strassen- und Verkehrssituationen vorherse- hen können. Deshalb müssen neue Ereignisse erfasst und ins Verhalten des fahrerlosen Fahrzeugs integriert werden. Aus «L(ernenden)» werden fahrerlose Fahrzeuge In heutigen Versuchen verhalten sich fahrerlose Fahrzeuge wie übervorsichtige Lernfahrer. Für einen sicheren und effi- zienten Verkehr müssen sie dazulernen, sei es mit mensch- licher Hilfe oder maschinellem Lernen. Dieser Prozess kann beschleunigt werden, wenn die Fahrzeuge ihre Sensor daten und die daraus gewonnenen Erfahrungen gegenseitig aus- tauschen – ganz wichtig für seltene Ereignisse, welche potenziell gefährlicher sind. Die Verarbeitung dieser Daten erfolgt schon bei den heutigen Versuchen nicht nur im Fahrzeug selber, sondern externe Computersysteme übernehmen einen Teil der Aufgaben bei- spielsweise für die Aufdatierung von Karten. Ein gemeinsa- mes Lernen für einen sicheren und effizienten Verkehr ist nur möglich, wenn die Daten gemeinsam bearbeitet werden können. Schliesslich profitieren von einem gemeinsamen Lernen auch das Gesamtverkehrssystem und dessen Nach- haltigkeit. Das funktioniert aber nur, wenn der schon beste- hende Verkehr am Datenaustausch beteiligt wird. Dazu sind Nachrüstszenarien nötig. Für bestehende Fahrzeuge bedeutet das, den Zugang zu Daten zu ermöglichen, sie zu erfassen und weiter zu verteilen. Smartphones können dabei eine Schlüssel- rolle spielen. Sie würden auch anderen Strassenteilnehmern wie Velofahrern, Fussgängern oder Benutzern des öffent lichen Verkehrs erlauben, sich mit Fahrzeugen zu koordinie- ren, seien diese konventionell oder vollautomatisch gesteuert. Die Behörden werden weiterhin die Interessen der verschie- VON MARKUS RIEDERER Verkehrs- und Innovations- management ASTRA, Bern FACHARTIKEL ARTICLES TECHNIQUES 29